Whakapapa im Tongariro National Park

Zu meinem Erstaunen wache ich am nächsten Morgen zur Abwechslung bei strahlendem Sonnenschein auf. Schnell ist klar, dass dieser Sonnenschein so gut wie möglich ausgenutzt werden muss. Denn sollte die Prognose richtig sein, dürfte es schon am Nachmittag wieder bewölkt und regnerisch werden. So packe ich meine sieben Sachen in Windeseile zusammen und verlasse den Campingplatz, um nach Whakapapa Village aufzubrechen, dem zentralen Ausgangspunkt für zahlreiche Touren im Tongariro National Park und meiner anvisierten Aufenthaltsstätte für die nächsten drei Tage. Für meine beiden geplanten großen Wanderungen, die Tama Lakes und das Tongariro Alpine Crossing, die jeweils einen ganzen Tag in Anspruch nehmen werden, ist mir das Wetter zu unsicher, sodass es heute zunächst einmal zu den Sesselbahnen am Mount Ruapehu geht.

Nebelfelder im Tongariro National Park

Auf dem Weg nach Whakapapa

Schon unterwegs genieße ich einige traumhafte Ausblicke auf die Vulkangipfel, die in der Morgensonne glänzen. Das Skigebiet oberhalb von Whakapapa ist eines von zwei an dem genannten aktiven Vulkan und gleichzeitig das größte in Neuseeland. Mit knapp 700 Metern maximaler Höhendifferenz und insgesamt rund 15 Anlagen ist das Gebiet zwar durchaus von stattlicher Größe, kann sich aber mit den Skigebieten der Alpen doch nicht ganz messen.

Strahlender Sonnenschein begrüßt mich am Fuße des Mount Ruapehu

Skifahren in Neuseeland

Überhaupt ist mir im Rahmen meiner Planungen aufgefallen, dass die Skigebiete in Neuseeland einen ganz anderen Charakter und ein ganz anderes Erschließungskonzept als die meisten europäischen Areale haben. Während in den Alpen die Skigebiete meist kontinuierlich vom Dorflift bis hin zur Luftseilbahn in 3.000 Meter Höhe gewachsen sind, findet man in Neuseeland zahlreiche kleinere Skigebiete mit trotzdem leistungsfähigen und modernen Seilbahnen. Die Gebiete haben dabei ausnahmslos den gleichen Aufbau. Es gibt genau einen Einstiegspunkt mit aller Art von Geschäften, Skiverleihen und eventuell Unterkünften, an den sich dann eine Reihe meist auf kleinem Areal und in Kessellage befindlicher Seilbahnen anschließt. Das erinnert von der Infrastruktur her stark an französische Retortenstationen, nur viel kleiner und mit einem entscheidenden Unterschied. In Neuseeland wird kein Gipfel mit einer Seilbahn erschlossen, die Anlagen enden alle unterhalb.

Ganz im Gegensatz zu den Alpen bleiben damit ein Gipfelpanorama und schroffe Berggipfel den Bergsteigern vorbehalten. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass in Neuseeland nur in genau einem Skigebiet überhaupt eine Seilbahn im Sommer in Betrieb ist – nämlich in Whakapapa. Alle anderen Ganzjahresanlagen finden sich in Vergnügungsparks, wie beispielsweise in Rotorua oder in Queenstown, oder in Stadtnähe, wie zum Beispiel in Christchurch. Mitunter ist das auch ein Grund dafür, warum es mich nach Neuseeland wohl nie zum Skifahren ziehen wird – ein Skigebiet braucht einfach eine Anlage, die bis auf den Gipfel geht und möglichst naturbelassene und kuriose Abfahrten erschließt. In Neuseeland dominiert beim Pistenbau dagegen leider eher die Südtiroler Bulldozer-Fangzaun-Vollkasko-Variante.

Die nächste Autopanne?

Am Parkplatz vom Skigebiet angelangt erwarten mich schon wieder ungebetene Probleme. Nach dem Abschalten des Motors und dem Anziehen der Wanderschuhe steigt plötzlich Rauch aus der Motorhaube meines Wagens auf. Nein, bitte nicht schon wieder! Kann man mit diesem Fahrzeug nicht mal eine Woche ohne Werkstattbesuch fahren? Nach dem Öffnen der Motorhaube ist das Problem auch schnell ausgemacht. Irgendwo tropft Wasser auf ein heißes Teil des Motors und verdampft. Nur wo kommt dieses Wasser her? Ein Schlauch ist zwar scheinbar nicht ganz hundertprozentig dicht, doch ich vermute, dass es sich bei der Flüssigkeit schlichtweg um Kondenswasser handelt. Auch im Inneren des Autos musste ich am Morgen nämlich erst einmal die Scheiben trocken wischen, weil es so entsetzlich nass war. So hoffe ich, dass es tatsächlich kein größeres Problem ist, auch wenn mich der Gestank aus der Motorhaube etwas verunsichert.

Mit der Sesselbahn den Vulkan empor schweben

Nichtsdestotrotz freue ich mich natürlich über die geöffneten Anlagen in Whakapapa und schwebe um kurz nach 9 Uhr mit der ersten von zwei Sektionen Sesselbahn nach oben. Die fix geklemmte Zweiersesselbahn stammt im Original noch aus dem Hause Gerhard Müller, der hier in den 50er Jahren als einer der ersten Schweizer Seilbahnhersteller vom Zürcherischen Dietlikon seine Produkte in die weite Welt exportierte. Offenbar sind die Tage dieses Exemplars jedoch gezählt, denn während der Bergfahrt beobachte ich, wie linker Hand bereits Fundamente für eine etwas längere Ersatzanlage gegossen werden. Damit dürfte es wohl der letzte Sommer sein, in dem man noch in den Genuss einer Fahrt mit dem Oldtimer kommt.

Die zweite Sektion ersetzte bereits vor rund 25 Jahren ein Müller-Exemplar und wurde ihres Zeichens vom österreichischen Hersteller Doppelmayr konstruiert. Die kuppelbare Vierersesselbahn besitzt eine teilweise recht schroffe Trassierung, Sorgen bereitet mir aber vielmehr der für ihr Alter ausgesprochen rostige Zustand.

Von der Bergstation genieße ich dafür einen grandiosen Blick in Richtung Nordwesten, wo sich diverse Hochnebelfelder über den Nationalpark erstrecken, während von Süden bereits die ersten Wolken über den Kamm herüber drücken. So verschaffe ich mir nach einer Erkundung des höchsten Cafés in Neuseeland einen Überblick über die weiteren Anlagen des Skigebiets, die sich von hier aus weiter hangaufwärts und in Richtung Süden erstrecken. Eines wird schnell klar – bei dem gewaltigen, groben Vulkangestein braucht es hier eine Menge Schnee, um Skibetrieb zu ermöglichen. Als die Wolken immer zahlreicher werden, entschließe ich mich zur Talfahrt, da es hier oben außer dem Blick nicht wirklich viel zu entdecken gibt. Es fehlt einfach eine dritte Sektion, die ganz bis auf den Gipfel geht und auch einen Blick Richtung Südosten ermöglicht. Das würde das Erlebnis um ein Vielfaches bereichern!

Mit der Sesselbahn Rockgardens geht es durchs Skigebiet von Whakapapa

Mit der Sesselbahn Rockgardens geht es durchs Skigebiet von Whakapapa

Die Sesselbahn Waterfall führt zum höchsten Café Neuseelands

Die Sesselbahn Waterfall führt zum höchsten Café Neuseelands

Die Wolken werden zahreicher – zurück nach Whakapapa

Wieder am Parkplatz angekommen verstaue ich erst einmal meine Sachen, ehe ich vorsichtig den Weg zurück nach Whakapapa antrete. Das Auto fährt sich völlig normal, es sind keinerlei ungewohnte Geräusche zu hören und auch die Kühlertemperatur ist im normalen Bereich. Womöglich ist das Auto nur vom vielen Bergauffahren ins Schwitzen gekommen? Wie auch immer, als ich am Campingplatz in Whakapapa für drei Nächte einchecke, steigt jedenfalls kein Dampf auf und der etwas verbrannte Geruch ist auch verflogen. Die nächsten Tage werde ich das Auto jetzt ohnehin erst einmal nicht bewegen. Und am Montag muss ich dann zusehen, dass es zumindest die 140 Kilometer bis Whanganui noch überlebt!

Kurze Erkundungstour durch den Nationalpark

Am frühen Nachmittag erkunde ich noch ein wenig die Gegend, da ich aufgrund der immer dunkleren Wolken keine große Lust auf eine längere Tour habe. So folge ich dem Ridge Walk, der mit einer Stunde Marschzeit angegeben ist. Letztlich benötige ich für den Weg gerade einmal eine halbe Stunde, was mir aber gerade Recht kommt. Denn just als ich wieder in Whakapapa eintreffe, beginnt es leicht zu regnen.

Was mir nun schon häufiger aufgefallen ist, die Wegzeiten in Neuseeland sind nicht immer ganz ernst zu nehmen. Insofern bin ich auch noch skeptisch, ob der Weg zu den Tama Lakes und das Tongariro Crossing wirklich derart viel Zeit in Anspruch nehmen wie angegeben. Vermutlich richtet man sich hier bei den angegebenen Zeiten nach äußerst gemütlichen Wanderern.

Wandern im Tongariro National Park mit Blick auf Whakapapa

Die Pläne für Ostern stehen

Die Planung für das Wochenende ist jedenfalls schnell klar. Am morgigen Samstag werde ich die Tama Lakes in Angriff nehmen, am angekündigten sonnigen Ostersonntag folgt dann das Tongariro Alpine Crossing, die angeblich schönste Tageswanderung in Neuseeland. Sie ist Teil des Tongariro Northern Circuits, einem der sogenannten neuseeländischen Great Walks. Zu diesen zählen neun ausgewählte Wanderwege, die durch die schönsten Regionen des Landes führen. Das Begehen nimmt meist mehrere Tage in Anspruch und erfordert bei den starken Besucherströmen eine frühzeitige Reservation der wenigen Hüttenschlafplätze entlang der Wege.

Genau aus diesem Grund locken mich die Wege auch nicht wirklich, denn Wochen im Voraus kann ich einfach nicht wissen, ob ich an dem reservierten Datum auch tatsächlich diese Wanderung machen will. Das ist mir einfach zu unflexibel. Auch auf dem Tongariro Alpine Crossing werde ich am Ostersonntag wohl oder übel mit einem völlig übervölkerten Weg rechnen müssen, doch irgendwann muss es mich ja mal treffen. Bislang bin ich den anderen Touristen ja weitgehend aus dem Weg gegangen.

Campingplatz in Whakapapa

Nachdem der Nachmittag mit zunehmender Tageszeit immer verregneter wird, beschließe ich, heute einfach nur eine Fertigpizza warm zu machen, die ich mir vor ein paar Tagen gekauft habe. Diese schmeckt dann wesentlich besser als sie aussieht, sodass ich satt und voller Tatendrang für die hoffentlich halbwegs sonnige erste Hälfte des Samstags den Karfreitag beschließe.

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