Von Lakes Entrance über den Great Alpine Highway nach Bright

Endlich kann ich am nächsten Morgen meinen ersten australischen Sonnenaufgang an der Küste fotografieren. Früh muss ich dafür aufstehen. Die Sonne geht hier schon vor sieben Uhr Ortszeit auf, dafür ist der Sonnenuntergang gegen 17 Uhr ähnlich früh. Nachdem außer mir scheinbar niemand auf dem doch recht großzügigen Campingplatz übernachtet hat, bin ich auch der einzige, der am Ufer die aufgehende Sonne bestaunen kann. Lediglich ein paar Schwäne und zwei Pelikane gesellen sich zu mir, von den zahlreichen singenden Vögeln auf den Bäumen einmal abgesehen.

Sonnenaufgang in Paynesville

Pelikan und Schwan in Paynesville

Sonnenaufgang mit Schwänen und Pelikanen

Lange verweile ich aber nicht, sondern breche nach Duschen, Frühstück und Wassertank auffüllen zeitig auf. Vor mir liegt heute eine Wegstrecke von rund 400 Kilometern. Mein erstes Tagesziel heißt Lakes Entrance, eine Touristenhochburg an der australischen Ostküste mit unzähligen Unterkünften, Attraktionen und natürlich einem weitläufigen Sandstrand. Wie bereits das restliche Australien ist aber auch Lakes Entrance wie ausgestorben, als ich gegen 9.30 Uhr dort eintreffe. Einige der vielen Parkplätze sind zwar belegt. Aber Menschen sind nahezu keine auf den schön angelegten Wegen auszumachen. Daher starte ich meinen kleinen Erkundungsspaziergang erneut nur in Begleitung einiger Vögel.

Möwe in Lakes Entrance

Einsamkeit in Lakes Entrance

Der Ort Lakes Entrance liegt auf einer langgezogenen Halbinsel, der wiederum eine weitere ebenso lange, aber noch schmalere Halbinsel vorgelagert ist, hinter der sich schließlich die Tasmansee verbirgt. Die beiden Landstriche sind durch eine Fußgängerbrücke miteinander verbunden, welche hier das Wasser überquert. Auf der anderen Seite angekommen entscheide ich mich zunächst für einen Gang zum Strand, der schon kurze Zeit darauf vor mir liegt. Ein wunderschöner Sandstrand, hohe, rauschende Wellen. Und kein einziger Mensch.

Dort, wo im Sommer vermutlich tausende Urlauber in der Sonne liegen und im Meer baden, herrscht heute gähnende Leere. Die heruntergelassenen Rollos auf dem Badeüberwachungsturm, der verrammelte Kiosk, irgendwie komme ich mir vor wie bei der Erkundung eines Lost Place. So bin ich froh, auf meinem Rückweg doch noch ein paar andere Menschen anzutreffen, die hier auf den zahlreichen zur Verfügung stehenden Wegen spazieren gehen.

Menschenleerer Sandstrand in Lakes Entrance

Wanderung auf dem Entrance Track auf der Suche nach Delfinen

Ich beschließe, noch ein wenig auf dem Entrance Track zu laufen, der zum südwestlichen Ende der schmalen Halbinsel führt. Wenn man Glück hat, kann man von hier aus sogar Delfine beobachten, die sich in den ruhigen Gewässern zwischen den beiden Halbinseln tummeln. Davon war zumindest in meinem Reiseführer die Rede. Heute sind aber scheinbar auch die Delfine wie der Rest von Lakes Entrance bereits im Winterschlaf.

Die Route entlang der Küste nach Sydney setzt sich am anderen Ende des Ortes fort, doch mein Weg führt in eine andere Richtung. Von Lakes Entrance geht es noch einmal zurück in Richtung Bairnsdale, das ich aber nicht mehr erreiche, sondern vorher auf eine Nebenstraße abbiege, die mich zum Great Alpine Highway führt. Diese Straße ist eine Verbindung zwischen der Küste und der Region um Albury. An dieser Stadt führt auch die direkte und schnellste Route von Melbourne nach Sydney vorbei. Unterwegs durchquert der Highway die australischen Alpen. Durchqueren ist ein wenig untertrieben, denn genau genommen überquert er sie in einer Höhe von bis zu 1.800 Metern über dem Meer.

Ausblick auf Lakes Entrance und die Küste

Mit Vollgas über den Great Alpine Highway

Nachdem ich in Lakes Entrance noch einmal extrem günstig auftanke, finde ich mich auch schon bald in einer völlig neuartigen Landschaft wieder. Verschwunden sind die windigen Küstenstriche, die langen, kerzengerade trassierten Straßen und die flachen Weideflächen. Stattdessen finde ich nun durchwegs bewaldetes Gebiet und eine kurvenreiche, aber gut ausgebaute Straße vor, auf der mir im Schnitt lediglich alle paar Minuten einmal ein Auto begegnet. Kurz vor dem kleinen Ort Ensay lege ich an einem schönen Rastplatz meine Mittagspause ein, bei der ich die Seele ein wenig baumeln lasse und den zahlreichen Vogelstimmen lausche, die über meinem Kopf auf den Bäumen singen.

Landschaft am Great Alpine Highway bei Ensey

Omeo

Nur wenig später erreiche ich Omeo, den größten Ort entlang der Straße vor den Passübergängen. Hier teilt sich der Weg in zwei verschiedene Routen auf – die besser ausgebaute Straße über den Mount Hotham zweigt nach links ab, die kurvenreichere und kleinere Straße über Falls Creek liegt rechter Hand. Letztere führt zwar nur bis in 1.600 Meter Höhe, ist aber doch ein deutlicher Umweg, sodass ich mich für die Variante über den höher gelegenen Mount Hotham entscheide.

Passüberquerung am Mount Hotham

Von nun an geht es steiler bergauf als zuvor, was bei meinem Camper schon wieder für eine unangenehme Geruchsentwicklung sorgt. Hoffentlich hält er durch, kann ja kaum sein, dass auch bei diesem Auto wieder etwas mit dem Kühlsystem nicht in Ordnung ist. Unterwegs halte ich an einem Aussichtspunkt an, von dem aus ich den Mount Kosciuszko in der Ferne erblicken kann. Der höchste Berg Australiens und mein Ziel am Freitag. Vorausgesetzt, das Wetter passt.

Ausblick vom Great Alpine Richtung Mount Kosciuszko

Je näher ich der Passhöhe am Mount Hotham komme, desto zahlreicher werden die Wolken, die die Sonne schon bald gänzlich verdecken. Wenige Kilometer vor dem Passübergang weckt dann das kleine Dorf Dinner Plain meine Aufmerksamkeit. Wie sich herausstellt, handelt es sich um eine Retortenstation hier oben am Berg, die in den Sommermonaten als Ausgangspunkt für Wanderer und im Winter für Skitourengänger fungiert. Freilich ist an diesem Herbsttag natürlich auch hier überhaupt nichts los. Da und dort ist zwar ein Auto vor einer der zahlreichen Ferienwohnungen auszumachen, von regem Ausflugsverkehr kann aber nicht die Rede sein. Erstaunt bin ich, dass ich sogar einen kleinen Skilift entdecke, der hier ein Übungsareal erschließt.

Messen kann er sich allerdings nicht mit den zahlreichen Seilbahnanlagen, die mich am Mount Hotham erwarten. Das Skigebiet erstreckt sich rund um die Passhöhe und umfasst eine große Anzahl an verschiedenen Sesselbahnen. Der Teil oberhalb der Passstraße ist als eher flach und unspektakulär zu charakterisieren, unterhalb der Straße finden sich aber auch zahlreiche äußerst steile Varianten, die in einen Talkessel münden, von wo aus man per Sesselbahn wieder hinauf befördert wird.

Sesselbahn im Skigebiet Mount Hotham

Steile und kurvenreiche Straße auf dem Weg nach Bright

Es weht ein frischer Wind bei meiner Ankunft auf der Passhöhe, sodass ich es bei einigen kurzen Erkundungen der Seilbahnen belasse, ehe ich meinen Weg über die Westrampe des Passes fortsetze. Viel gibt es hier oben ohnehin nicht zu sehen, weswegen ich möglichst schnell wieder in wärmere Gefilde aufbrechen möchte. Auf der Westseite ist die Passstraße deutlich steiler und kurvenreicher als auf der Seite von Omeo, was das Vorankommen etwas verlangsamt. Dafür macht das Fahren bei dieser Trassierung aber deutlich mehr Spaß als auf den autobahnähnlich ausgebauten Strecken, die mir ja auch schon aus Neuseeland zu genüge bekannt sind.

Wälder am Mount Hotham

Mulmiges Gefühl am Waldrand

Als ich den Talgrund und zumindest einen Hauch von Zivilisation in dem Örtchen Harrietville wieder erreiche, ist für mich die Zeit gekommen, langsam nach einem Campingplatz für die Nacht zu suchen. Entlang der Route gibt es verschiedene Möglichkeiten, kostenlos zu übernachten, was ich auch tun will, denn heute benötige ich die Ausstattung der teuren Holiday Parks nicht. Ein erster Versuch nahe Smoko schlägt fehl, da das Campingareal völlig verlassen sein Dasein fristet, die Toiletten sind abgesperrt und zudem möchte ich auch nicht ganz alleine mitten in der Wildnis übernachten.

Auch im zweiten Anlauf werde ich nicht fündig, denn den in meiner App angegebenen Campingplatz in Germantown kann ich gar nicht erst ausfindig machen. So bleibt mir nur noch eine Option, ein kleines Areal namens Eurobin, wenige Kilometer talabwärts von Bright entfernt. Dort habe ich Glück, denn die Toiletten sind zugänglich und auch sonst macht mir der Platz einen ganz netten Eindruck.

Nach meinem Abendessen fühle ich mich in der Dunkelheit allerdings doch nicht so ganz wohl. Außer mir hat sich nicht ein einziger anderer Campinggast eingefunden. Mit einem etwas mulmigen Gefühl gehe ich daher ins Bett, immer begleitet von merkwürdigen Geräuschen aus dem nahegelegenen Wald, die vermutlich von irgendwelchen Wildtieren stammen.

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