Runde Geburtstage sind eigentlich immer ein guter Grund zu feiern. Bei Seilbahnen sieht das oft ein wenig anders aus. Da die Betriebsbewilligungen meist auf eine runde Zahl an Jahren ausgelegt sind, bedeutet ein solcher Ehrentag für viele Bahnen, dass ihr letztes Stündlein geschlagen hat. Auch im Fall zweier Schlepplift-Klassiker im Skigebiet von Ovronnaz im Unterwallis ist das nicht anders. Nach exakt vier Jahrzehnten Betrieb transportieren sie im Winter 2022 die letzten Fahrgäste.
Der alte, neue Schlepplift Châtillon
Einer der beiden angesprochenen und 1982 eröffneten Schlepplifte hört auf den Namen Châtillon. Seine Geschichte beginnt jedoch bereits ein gutes Jahrzehnt vor diesem Datum. Gemeinsam mit der Zubringer-Sesselbahn nach Jorasse nimmt er 1968 als kurze Ergänzungsanlage den Betrieb auf. Ab dem folgenden Winter dient er auch als Zubringer zu einem weiteren neu eröffneten Schlepplift.
Erst nachdem die Sesselbahn 1974 verlängert wird, ist der zweite Schlepplift auch ab deren Bergstation direkt erreichbar. Mit dem Wegfall der Zubringerfunktion ist der Schlepplift Châtillon fortan eine reine kurze Beschäftigungsanlage an einem eher uninteressanten Standort. Aus diesem Grund entschliesst man sich 1982 zu einer Verlängerung, bei der die Streckenlänge auf über 1,1 Kilometer anwächst. Einzig die Stützen werden im unteren Teil vom Vorgänger übernommen, an der ehemaligen Bergstation erfolgt der Einbau einer Kurve.
Châtillon – Ein Schlepplift mit vielen Eigenheiten
Die eigentliche Besonderheit des Schlepplifts ist neben der Kurve aber seine extrem steile Trassierung. Über 400 Höhenmeter überwindet er auf einem speziell im zweiten Streckenabschnitt gewagten Verlauf. Er zählt damit zu den anspruchsvollsten Schleppliften der Alpen und verlangt von den Fahrgästen durchgehend Konzentration – insbesondere auch, weil das Trassee nicht maschinell gespurt werden kann. Um die Fahrt zumindest ein wenig komfortabler zu gestalten, stattet der Konstrukteur Gerhard Müller ihn mit Tellergehängen aus. Zum Einsatz kommen Einzugsapparate von Röhrs, die Stützen und Stationen entsprechen der Standardbauweise von Müller aus den 80er Jahren. 720 Personen kann der Schlepplift Châtillon stündlich maximal transportieren, doch diese Förderleistung ist aufgrund der Anforderungen an die Fahrgäste selten bis nie erforderlich.
Der Wunsch der Skigäste nach immer mehr Komfort sorgt dafür, dass die Nachfrage am Schlepplift Châtillon immer weiter zurückgeht. Und so entschliesst man sich 2022 dazu, die Anlage ersatzlos abzubauen. Die zugehörige Piste wird auf Umwegen auch zukünftig weiterhin erreichbar sein, Wiederholungsfahrten auf dem anspruchsvollen Terrain werden jedoch deutlich komplizierter. Und auch aus Seilbahnsicht ist der Wegfall dieses anspruchsvollen Klassikers ausgesprochen bedauerlich. Doch das Vorgehen entspricht dem Zeitgeist – für echte Abenteuer ist in modernen Skigebieten einfach kein Platz mehr.
Die Schwesteranlage Petit Pré
Der ersatzlose Abbau des Schlepplifts Châtillon ist eng mit einem weiteren Projekt im Skigebiet Ovronnaz verbunden. Denn auch seine Schwesteranlage Petit Pré ist 2022 zum letzten Mal in Betrieb. Dieser ebenfalls 1982 eröffnete Schlepplift wird allerdings einer neuen kuppelbaren Sesselbahn weichen. Die dadurch zukünftig höheren Betriebs- und Unterhaltskosten sollen durch den Wegfall des Schlepplifts Châtillon teilweise kompensiert werden.
Mit einer deutlich gutmütigeren Trassierung erfährt der Schlepplift Petit Pré seit seiner Eröffnung deutlich mehr Zulauf als sein steiles Pendant am Châtillon. Auch diese Anlage entstammt der Feder des renommierten Seilbahnherstellers Gerhard Müller aus dem Kanton Zürich. Sie entsteht seinerzeit als Neuerschliessung zur Erweiterung des Pistenangebots in Ovronnaz.
Ein weiterer Schlepplift mit Kurve im Skigebiet Ovronnaz
Auf den ersten Blick scheint die Anlage daher identisch aufgebaut wie der Schlepplift Châtillon, bei genauerem Hinsehen sind dann aber doch ein paar kleine Unterschiede zu entdecken. Abgespannt wird das Förderseil auch bei diesem Lift durch ein Gegengewicht in der Talstation, der Antrieb in diesem abgelegenen Tal im südlichen Teil des Skigebiets befindet sich jedoch in der Bergstation. Optisch auffallendster Unterschied sind aber zweifellos die roten Bügel, die wie die hydraulischen Einzugsapparate von der Firma Borer stammen. 1252 Meter Streckenlänge überwinden sie ingesamt bei einer Fahrt über 235 Höhenmeter. Die stündliche Förderleistung liegt mit 1200 Personen ebenfalls über derer des Schlepplifts Châtillon und wird an dieser Anlage auch regelmässig benötigt. Nicht zuletzt deshalb erfolgt auch der Ersatz durch eine Sesselbahn.
Der technisch mit Abstand interessanteste Teil des Schlepplifts Petit Pré befindet sich im oberen Streckendrittel. Genau wie seine Schwesteranlage besitzt auch er eine Kurve, die bei den beiden Seilseiten auf unterschiedliche Art und Weise umgesetzt wird. Die bergfahrende Seite besitzt an zwei Stützen je drei horizontale Rollen, die talfahrende Seite wird aufgrund der Kurve zur Aussenseite hin mittels schräger Rollenbatterien abgelenkt. Eine vergleichbare Ablenkung mit horizontalen Rollen wäre aufgrund der im Weg stehenden Gehängearme nicht möglich, sodass zwei schräg gestellte Niederhalterollenbatterien die Ablenkung übernehmen. Jeweils acht Rollen an beiden Stützen sorgen für Musik in den Ohren des Seilbahnenthusiasten.
Wieder zwei Seilbahn-Klassiker weniger
Die neue Sesselbahn wird eine solche Kurve aufgrund der flexibleren Trassierungsmöglichkeiten eines bodenungebundenen Seilbahnsystems nicht mehr benötigen. Entsprechend gehört auch dieses interessante Stück Seilbahntechnik fortan der Vergangenheit an. Für den Pistenskifahrer ändert sich mit dem Ersatz der beiden Schlepplifte abgesehen vom komplizierteren Zugang zur Châtillon-Piste wenig. Aus seilbahntechnischer und -historischer Sicht schmerzt der Wegfall dieser beiden Klassiker dagegen sehr. Immerhin werden sie in Form von Fotos und Videos auch zukünftig nicht in Vergessenheit geraten.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.