Das Skigebiet Madrisa gilt seit mittlerweile mehr als fünf Jahrzehnten als Sonnenterrasse der Region Davos-Klosters. Die Südhänge oberhalb von Klosters-Dorf werden seit dem Jahr 1965 von einer Kabinenbahn erschlossen. Oben angekommen bringen heute mehrere Sesselbahnen und Schlepplifte die Wintersportler in die Höhe. Ein ausgefallenes Skigebiet mit ungewöhnlichem Charakter, bei dem auch die Zubringerbahn ihre Eigenheiten mitbringt.
Von Klosters ins Skigebiet Madrisa
Auf den ersten Blick handelt es sich bei der Kabinenbahn Klosters-Madrisa um eine gewöhnliche Einseilumlaufbahn der Firma Garaventa aus dem Jahr 2005. Vierplätzige dunkelblaue Kabinen aus dem Hause CWA prägen das Erscheinungsbild dieser Anlage, deren Technik die typischen Merkmale aus jener Zeit aufweist. Ein modernes Erscheinungsbild, kompakte Stationen und eine maximale Fahrgeschwindigkeit von 5 m/s. Tatsächlich ist die Madrisabahn aber alles andere als gewöhnlich. Und das hängt damit zusammen, dass sie zahlreiche Komponenten ihrer Vorgängerin übernimmt, die an dieser Stelle während vier Jahrzehnten im Einsatz ist.
Beauftragt wird seinerzeit die renommierte Maschinenfabrik Bell aus Kriens bei Luzern, um an dieser Stelle eine Zweiseilumlaufbahn zu erstellen. Das Prinzip ist bei Personenseilbahnen seit den 1950er Jahren weit verbreitet. Aufgrund der schon damals kostengünstigeren Einseilumlaufbahn findet es aber immer seltener Abnehmer. Zweiseilumlaufbahnen zeichnen sich durch ein zusätzliches Tragseil aus, das längere Spannfelder und damit grössere Abstände zwischen den Stützen erlaubt. So kommt die erste Generation der Madrisabahn auf 2,3 Kilometern Strecke und 747 überwundenen Höhenmetern mit gerade einmal sieben Stützen aus.
Die Förderleistung entspricht zur Jahrtausendwende aber nicht mehr den Anforderungen, sodass ein Neubau unausweichlich ist. Um diesen möglichst kostengünstig zu gestalten, übernimmt die neue Anlage zahlreiche Bestandteile ihres Vorgängers. Darunter die Stationen und die meisten vorhandenen Stützen. Weil die Abstände für das neue Einseilsystem aber zu gross sind, finden sich unterwegs heute auch einige zusätzliche neue Rundrohrstützen. Die Kombination aus Alt und Neu unterstreicht die Möglichkeiten einer sanften Sanierung, die heute nur noch allzu selten anzutreffen ist.
Das Übungsparadies Albeina auf der Madrisa
Dass die Madrisa heute vor allem ein Familienskigebiet ist, wird spätestens bei den zahllosen Übungsliften rund um die Bergstation der Zubringerbahn deutlich. Bereits seit dem Jahr 1976 trainieren am Doppelschlepplift Albeina Generationen von Skifahrern die Verbesserung ihrer Technik. Konstruiert werden die beiden Anlagen damals von der Firma Garaventa und tragen unverkennbar die Handschrift des Zentralschweizer Herstellers.
Eine Besonderheit der beiden weitgehend original erhaltenen Lifte wird aber bereits auf den ersten Blick deutlich. Während der linke, etwas kürzere mit Tellern bestückt ist, handelt es sich beim rechten um einen Bügellift. Beide Anlagen werden von der Talstation aus angetrieben und in der Bergstation abgespannt. Während der Bügellift die Grenze von 500 Metern schräger Länge und 100 Höhenmetern knapp überschreitet, liegen die Werte des Tellerlifts etwas unter dieser Marke. Beiden Anlagen ist jedoch eine Fahrzeit von 3,5 Minuten gemein, da der längere Bügellift mit 2,5 m/s ein wenig schneller unterwegs ist als sein direkter Nachbar.
Ein alter Bekannter aus Klosters
Seit dem Jahr 2017 ergänzt ein noch kürzerer und noch flacherer Schlepplift das Angebot an Übungshängen auf der Madrisa. Der Schlepplift Heid ist genau genommen kein Unbekannter. Zuvor ist diese Anlage unter gleichem Namen im Tal in Klosters in Betrieb. Um die beiden bestehenden Übungsareale zusammenzulegen und gleichzeitig die Schneesicherheit des Heidlifts zu erhöhen, versetzt man ihn auf die Madrisa. 35 Höhenmeter überwindet er hier auf 250 Metern Strecke.
Paradehänge am Schaffürggli
Die Paradehänge des Skigebiets erschliesst dagegen eine weit grössere Seilbahnanlage. Die Sesselbahn Schaffürggli stammt aus dem Jahr 2016 und steht genau an der Stelle, an der 1965 der erste Schlepplift auf der Madrisa den Betrieb aufnimmt. Die kuppelbare Sechsersesselbahn ist eine moderne Anlage der Firma Garaventa und kann dank ihrer engen Sesselabstände bis zu 2600 Personen pro Stunde den Berg hinaufbefördern. Ergänzt um eine Sitzheizung und automatische Schliessbügel bietet sie so ziemlich alles, was der moderne Skigast von heute für maximalen Komfort und maximale Sicherheit schätzt. Nur die Fahrt zurück über die Piste, die müssen die Wintersportler dann doch noch selbst übernehmen.
Mit einer Streckenlänge von 1,9 Kilometern und 510 Höhenmetern können sich aber auch die technischen Daten der Anlage durchaus sehen lassen. Die Sesselbahn Schaffürggli ist damit zweifelsohne die wichtigste Aufstiegshilfe an der Madrisa und ersetzt ihrerseits einen Doppelschlepplift von Garaventa, der während 30 Jahren die Paradehänge des Skigebiets auf gleicher Trasse wie heute erschliesst. Gemeinsam bringen es die beiden Anlagen schon damals auf eine Förderleistung von über 2100 Personen pro Stunde, sind aber mit neun Minuten etwas länger bis zur Bergstation unterwegs als die heutige Sesselbahn.
Spuren der Vergangenheit
Ihrerseits ersetzen sie übrigens einen seltenen Schlepplift des Seilbahnpioniers Theo Brunner, der sich nach zwischenzeitlichen Tätigkeiten für Städeli und Skima Mitte der 60er Jahre erneut selbständig macht. Neben dem Schaffürggli-Lift erstellt er zur gleichen Zeit noch zwei weitere Anlagen an der Madrisa. Auch Garaventa ist 1965 an dem Hang aber bereits aktiv. Der Schlepplift Glatteggen, der heute noch existiert, aber stillgelegt ist, entlastet während Jahrzehnten den Schaffürgglilift. Mit der neuen Sesselbahn und ihrer interessanten Technik zum Öffnen und Schliessen von Hauben und Schliessbügeln wird diese zusätzliche Kapazität heute aber nicht mehr benötigt.
Rückseitige Abfahrten in abgeschiedener Lage
Die erste Sesselbahn der Madrisa nimmt schon ein knappes Jahrzehnt vor der Schaffürgglibahn den Betrieb auf. 2007 ersetzt die Firma Bartholet den steilen Schlepplift Zügenhüttli durch eine fix geklemmte Zweiersesselbahn. Der Lift ist bereits seit der Gründerzeit des Skigebiets ein wichtiger Rückbringer von den abgelegenen Abfahrten im östlichen Teil des Gebiets zurück zur Kabinenbahn und dem Übungsgelände. Seine Lage unterstreicht die ungewöhnliche Struktur des Skigebiets. Genau wie die Talabfahrt ist auch die Sesselbahn Zügenhüttli nur nach einer vorherigen Fahrt am Schaffürggli erreichbar.
Die fix geklemmte Zweiersesselbahn besitzt darüber hinaus nicht einmal eine eigene Abfahrt, da der Hang zu steil und zu lawinengefährdet ist. So führt die Fahrt bei einer sehr gemütlichen Geschwindigkeit von 2,3 m/s über rund 760 Meter Länge und 260 Höhenmeter, bis die Bergstation mit ihrem Unterflurantrieb erreicht ist. Abgespannt wird das Förderseil wie bei Bartholet typisch in der Gegenstation mit einem Gewicht. Die Sesselbahn ist 2007 übrigens bereits die dritte Generation an diesem Hang. Der Originalschlepplift von Tebru aus dem Jahr 1965 weicht bereits 17 Jahre später einem Exemplar von Garaventa.
Mit dem Kurvenlift Madrisa zum höchsten Punkt des Skigebiets
Eigentlicher Höhepunkt des Skigebiets ist aber zweifellos der Schlepplift Madrisa. Und das nicht nur, weil er mit 2614 Metern über dem Meer den höchsten Punkt erschliesst. Der Lift ist mit seiner Kurve im oberen Teil der Strecke auch aus technischer Sicht interessant. Zudem erschliesst er gleich mehrere spannende Abfahrten. Eine präparierte Piste direkt neben dem Lift und darüber hinaus zwei abgelegene Tourenabfahrten, die zurück auf die Vorderseite des Skigebiets führen. Und zu guter Letzt ist der Schlepplift Madrisa mit seiner Lage in einem wilden, ursprünglichen und von hohen Felswänden umgebenen Hochtal auch in Sachen Landschaft ein Unikat.
Konstruiert wird der Lift im Jahr 1979 von der Firma Garaventa. Der Konstrukteur entscheidet sich wegen des unwegsamen Terrains für den Einbau der angesprochenen Kurve. Wie bei Garaventa zu jener Zeit üblich verzichtet man jedoch auf eine komplizierte Rückführung des talfahrenden Seils und setzt auf einen Dreieckslift. Nur die bergfahrende Seite befährt also die Kurve, die talfahrenden Bügel treten die Reise zurück zur Talstation auf direktem Weg an. Antrieb und Abspannung bringt Garaventa in der Talstation unter. Und so kann der Madrisalift über seine knapp 1,5 Kilometer lange Strecke bis zu 800 Personen pro Stunde transportieren. 327 Höhenmeter überwinden die Wintersportler dabei auf dem Weg zur Bergstation. Dank einer flotten Fahrgeschwindigkeit von 3,4 m/s ist der höchste Punkt dann auch bereits nach kurzer Zeit erreicht.
Ein Familienskigebiet mit ungewöhnlichem Charakter
Dort oben angekommen lädt das Panorama zum Verweilen ein. Der Ausblick insbesondere in Richtung Südosten ist beeindruckend. Die ersten österreichischen Gipfel liegen bereits in greifbarer Nähe und in der Ferne grüssen die Berge rund um den Flüelapass und an der Parsenn. Irgendwie will dieser Sektor so gar nicht zu einem klassischen Familienskigebiet passen. Immer mehr gewinnt man den Eindruck, dass sich mittlerweile alles Familienskigebiet schimpft, was sonst kein Alleinstellungsmerkmal besitzt. Insofern liegt der Verdacht nahe, dass es sich dabei meist um austauschbare Hänge handelt. Disneyland statt Hochgebirge, Sicherheit statt Abenteuer.
Doch in diese Kategorie passt die Madrisa keineswegs. Allenfalls spiegelt sich der übertriebene Sicherheitswahn in den automatischen Schliessbügeln der Sesselbahn Schaffürggli wider. Doch selbst diese bietet eine abwechslungsreiche Palette an unterschiedlichen Abfahrten in sonniger Lage. Ganz und gar einmalig ist aber zweifelsohne die Konstellation rund um den Schlepplift Madrisa und die Sesselbahn Zügenhüttli. Ein steiler Lift in einem einsamen, aber weitläufigen Hochtal, dazu die lange Abfahrt abseits jeglicher Infrastruktur. Die Rückbringer-Sesselbahn ohne eigene Abfahrt am Ende einer Pisten-Sackgasse. Und natürlich die weit abgelegene Talabfahrt nach Klosters, die von der Vorderseite des Skigebiets gar nicht erreichbar ist.
Faktoren, die der Madrisa gleich mehrere Alleinstellungsmerkmale verleihen. Das Skigebiet hätte es eigentlich gar nicht nötig, sich auf das Familien-Label zu berufen. Die Hänge sind bereits Attraktion genug. Ein Umstand, von dem viele andere Destinationen nur träumen können.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.