Nach dem Mittagessen brechen wir in Vichères auf und fahren den Weg wieder retour, den wir gekommen sind. In Drance halte ich aus der Ferne noch Ausschau nach dem schon vor vielen Jahrzehnten stillgelegten Skilift Creux de Liddes, der hier einst einen Hang von immerhin 400 Höhenmetern erschloss. Doch die letzten 30 Jahre haben Spuren hinterlassen. Oder anders gesagt, die Spuren des Skilifts verwischt. Zumindest von weitem erinnert nichts mehr daran, dass hier bereits lange vor der Erschliessung der Chaux de Bavon Skibetrieb herrschte.
Die Enstehung eines kuriosen Skigebiets
Etwas später als geplant, gegen 13.45 Uhr, erreichen wir La Fouly. Hier müssen wir vom Ortseingang noch einige hundert Meter zu Fuss zurücklegen, bis die Bindungen an der Talstation der Sesselbahn La Fouly-Les Arpalles klicken. Die Entstehungsgeschichte des Skigebiets ist auf den ersten Blick mit zahlreichen anderen vergleichbar. 1965 wurden zwei Skilifte in diesem völlig abgelegenen Tal gebaut. Ein Übungsskilift sowie ein etwas anspruchsvolleres Exemplar. 1970 folgte die zweite Sektion, ehe der Übungslift 1989 ersetzt wurde. Fünf Jahre später erfolgte auch der Ersatz der ersten Sektion der anspruchsvolleren Skilifte auf neuer Trasse.
Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich jedoch einige Besonderheiten, die dem Gebiet einen einzigartigen Charakter verleihen. Die am wenigsten bedeutsamste ist vielleicht, dass die beiden 1965 gebauten Skilifte von erbitterten Konkurrenten erbaut wurden. Gerhard Müller kam beim Übungslift Combe Verte zum Zug, während der innerkantonale Rivale Walter Städeli den Skilift Barfay erstellte. Dieser kam auch fünf Jahre später beim Bau der zweiten Sektion und 1989 beim Ersatz der Combe Verte zum Bau.
Während die erste Sektion bereits durchaus zügig ansteigt, ist die zweite Sektion nur ein Fall für sehr geübte Skifahrer. Auf den ersten 350 Metern überwindet der Skilift Arpalles sage und schreibe 200 Höhenmeter, was einer mittleren Steigung von 57% entspricht. Direkt nach dem Einstieg beträgt die Steigung sogar knapp 70%. Einen derart steilen Skilift sucht man anderswo in der Schweiz vergebens. Und so ist es auch nicht erstaunlich, dass man sich später nach einer anderen Lösung umsah, um den oberen Lift etwas publikumstauglicher zu machen. 1994 schliesslich baute Leitner auf direkter Linie eine fix geklemmte Zweiersesselbahn vom Talboden bis etwa zur Hälfte des oberen Skilifts. Dieser ist seither nur noch ab einem Zwischeneinstieg in Betrieb, sodass der steilste Abschnitt nach der Talstation wegfällt. Die ehemalige erste Sektion blieb noch bis Anfang des neuen Jahrtausends erhalten und wurde dann ersatzlos abgebaut.
Familien statt Freaks in La Fouly
Bei derart steilen Liften in abgelegener Lage liegt es auf der Hand, ein Gebiet für Freaks und Freerider zu erwarten, ähnlich wie am Super Saint-Bernard. Doch interessanterweise zählen zum Zielpublikum von La Fouly vor allem Familien mit Kindern, die am Skilift Combe Verte das Handwerk lernen, um später an den anderen Liften ihr Können zu beweisen. Erleichtert wird ihnen die Abfahrt vor allem durch die Tatsache, dass sich eine Fülle an Skiwegen den Berg hinabschlängelt, während die direkten Varianten meist sehr steile, unpräparierte Abfahrtsrouten sind. Auf dem Pistenplan sieht das Gebiet erst einmal sehr vielversprechend aus, was uns für die verbleibenden 2,5 Stunden dieses Skitags positiv stimmt.
Pistenplan: http://www.infosnow.ch/~apgmontagne/?la … tab=map-wi
Mit der Sesselbahn Arpalles über die Baumgrenze
Den völlig überfüllten Anfängerlift Combe Verte lassen wir erst einmal sprichwörtlich links liegen und begeben uns mit der Sesselbahn Arpalles auf knapp 2000 Meter Höhe. Technisch gesehen nichts spezielles, ein Leitner-Produkt ab Stange mit Abspannung im Tal und Antrieb am Berg.
Kurz vor der äusserst wackeligen Wechsellaststütze drei. Bei jeder Sesseldurchfahrt gibt es einen Hüpfer.
Unterwegs wird auch ein Blick auf den Skilift Arpalles möglich, hier mit dem aufbelassenen unteren Abschnitt. Einerseits ja verständlich, dass man sich mit der Sesselbahn diesen Abschnitt nun schenkt, andererseits würde es mich schon sehr reizen, dort mal von ganz unten loszulegen :) .
Nach nur acht Stützen, aber 400 Höhenmetern auf 700 Metern Länge ist die Bergstation, die sich ziemlich genau an der Baumgrenze befindet, erreicht.
Die Bergstation der Sesselbahn Arpalles mit ihrem entsetzlich lauten Antrieb. Dieser ist selbst an der Bergstation der zweiten Sektion noch zu hören und dürfte alle Schneehühner, Wildtiere und Vögel dauerhaft verjagt haben. Wundert mich, dass da noch kein Grüner gemeckert hat! ;)
Kuriositäten auch am höchsten Punkt des Skigebiets La Fouly
Unterwegs im Skilift Arpalles. Die obere Hälfte ist zwar auch nicht schlecht, aber eben bei weitem nicht mehr so steil wie der untere Teil. Dafür weiss der Skilift mit seinem kuriosen Gehängemix zu begeistern. Langbügel an Städeli-Hydrogehängen und Kurzbügel an mechanischen Gehängen wechseln sich mit riesigen Abständen ab. Zudem ist ein einziger Teller am Förderseil befestigt. Pikant ist diese Situation auch am Einstieg, denn einen Anbügler gibt es nicht. Stattdessen steht ein Schild da, dass die Grossen den Kleinen helfen sollen. Und Kurzbügel selbst anbügeln ist im ersten Moment gar nicht so einfach …
Bald ist die Bergstation auf 2280 Metern erreicht. Von hier aus erwarten uns 650 Höhenmeter bis nach La Fouly. Nicht übel bei dieser kurzen zurückgelegten Strecke. Schön übrigens auch zu sehen, dass die Stützen nicht mit Wartungspodesten verschandelt wurden (in der Hoffnung, dass das IKSS das hier nicht sieht und die Betreiber zum Nachrüsten verdonnert ;) ).
Die Bergstation, einfach an den Hang geklebt. Wie man wohl auf die Idee kommt, gerade hier einen Skilift hinzustellen? :D
Sehenswertes Panorama von der Bergstation Arpalles
Das Panorama kann sich trotz der verhältnismässig geringen Höhenlage sehen lassen. Eindrucksvoll thront der Mont Dolin, Grenzgipfel zwischen der Schweiz, Frankreich und Italien, über dem Talgrund. Hinter dieser Kette befindet sich bereits der Glacier d’Argentière, den wir am Vortag zu Gesicht bekommen haben.
Urplötzlich landen wir in dieser steilen Rinne, nachdem wir zuvor noch auf einer breiten Carvingabfahrt gefahren sind. Ganz nett zu fahren, aber der Wind hat den Schnee hier leider sehr verblasen, sodass sich der fahrbare Bereich auf wenige Meter Breite erstreckt.
Tiefblick auf das „Einstiegsportal“ ins Gebiet mit der Sesselbahn Arpalles und dem Skilift Combe Verte.
Wieder am Gipfel, von wo aus wir diesmal die Piste nördlich des Lifts in Angriff nehmen. Diese zieht sich allerdings im oberen Drittel ziehwegartig den Berg hinab, und nach ein paar Schwüngen im Steilen ist bereits die Bergstation der Sesselbahn erreicht.
Auf halber Strecke zweigen zwei Skirouten an einem Nordhang ab, die direkt ins Tal führen. Da wir nach dem gestrigen Tag aber genug Buckelpisten gefahren sind, verzichten wir darauf, diese Routen näher zu erkunden.
Die Fortsetzung findet die präparierte Nordabfahrt dann in dieser Piste mit schöner Muldenlage. Leider ist der Nordhang eine einzige Eisbahn, sodass hier nicht wirklich Fahrspass aufkommt.
Eine Runde am Übungshang Combe Verte
An der Bergstation des Skilifts Combe Verte mündet die Piste dann auf den Anfängerhang. Hier fangen sie auch schon an, die Skipiste mit Chalets zuzubauen. Das Haus links im Bild steht genau in der Mitte der Skipiste. Machen hier einen auf Savoleyres ;) .
Wenn man schonmal da ist, muss natürlich auch der Skilift Combe Verte gefahren sein. Als Übungshang mit konstanter Neigung ideal, sonst aber eher uninteressant.
Daher geht es auch gleich wieder eine Etage höher.
Eindrücklicher Lawinenabgang am Hang gegenüber
Als ich gerade den Zwischeneinstieg des Skilifts Arpalles am Filmen bin, wird das Tal plötzlich in ein lautes Grummeln eingetaucht. Im ersten Moment vermute ich, dass die Schweizer Luftwaffe aktiv geworden ist (ist ja noch nicht 17 Uhr ;) ), doch dann fällt mir der eindrucksvolle Lawinenabgang am Gegenhang auf. Unter lautem Getöse donnern die Schneemassen etwa 200 Meter im freien Fall den Abhang hinunter. Ein faszinierendes Naturschauspiel, das mehrere Minuten anhält und auch andere Schaulustige in seinen Bann zieht.
Wenn ich den unteren Abschnitt des Skilifts Arpalles schon nicht fahren kann, dann will ich ihn wenigstens noch fotografisch dokumentieren. Gesagt, getan, und so zweige ich vom abermals serpentinenartigen Ziehweg ab und nähere mich der Talstation.
Dummerweise hält der Lift just in dem Moment an, in dem ich ein kurzes Video drehen möchte. Also warte ich fünf Minuten, bis es mir dann zu lang wird. Dann komme ich eben später nochmals vorbei, denn das Geratter möchte ich gerne für die Nachwelt erhalten. Wer weiss, nicht dass die hier demnächst noch auf dumme (Ersatz-) Gedanken kommen ;) .
Bei der nächsten Runde dann das gleiche Spiel. Einen Bügelumlauf kann ich immerhin filmen, dann stoppt der Lift erneut. Und das, wo er sonst nicht einmal angehalten hat? Gibt’s hier eine Lichtschranke oder Überwachungskamera? Wie auch immer, was ich brauche habe ich jetzt ja auf der Speicherkarte.
Bei der letzten Bergfahrt gegen 16.20 Uhr kann ich dann auch noch das kuriose Tellergehänge festhalten.
Kuriose Szenen auch nach Ende des Skitags in La Fouly
Zurück im Tal suchen wir für einen kleinen Absacker noch das Restaurant auf, wo sich eine weitere kuriose Szene ereignet. Ein Herr am Nachbartisch spricht mich in gebrochenem Englisch auf meinen Rückenprotektor an und fragt mich, ob dieser Teil einer Ausrüstung zum Fliegen sei. So etwas habe er noch nie in seinem Leben gesehen. Etwas verdutzt erkläre ich ihm den eigentlichen Sinn und Zweck dieses Utensils. Offenbar hat diese Erfindung im Val Ferret noch keinen Einzug gefunden, obwohl zumindest Helme hier mehr vertreten sind als am Tag zuvor in Argentière.
Noch besser kommt es dann aber, als kurze Zeit später eine dem Aussehen nach koreanische Familie am Restaurant ankommt, deren Kinder mit blauen Baustellenhelmen unterwegs sind. Nachdem dann auch noch einer der Blauhelmsoldaten eine völlig missglückte Tanzeinlage auf der Terrasse hinlegt, können wir uns vor Lachen kaum noch halten und machen uns vorsichtshalber aus dem Staub. Nicht, dass der Vater der Familie noch ein Gesandter von Kollege Kim ist, der hier einen Städeli-Lift kaufen soll ;) .
Trotz der kuriosen und lustigen Erlebnisse ist La Fouly rein objektiv betrachtet ein wenig farblos geblieben. Nicht unbedingt im Vergleich zu den Gebieten, die wir an den drei vorherigen Tagen befahren haben, denn hier wäre ein Vergleich unfair und unsinnig, aber speziell verglichen mit Liddes kann das Gebiet nicht derart überzeugen. Zwar sind die Abfahrten anspruchsvoll und die Erschliessung interessant, aber die zahlreichen Wege und Serpentinen zwischen den interessanten Abschnitten rauben ein wenig die Freude am Fahren. Zudem ist die Pistenauswahl auch für nur drei Lifte ein wenig mager. Zum Vergleich: am Vormittag sind wir in Liddes während knapp 3,5 Stunden keine Piste zwei Mal gefahren, während uns schon nach 2,5 Stunden in La Fouly langsam langweilig geworden ist. Fazit: nett, mal dort gewesen zu sein, aber da muss ich jetzt nicht so schnell wieder hin.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.