Dolce Vita am Lake MacGregor

Langsam aber sicher gehen mir diese Sonnenaufgänge ja schon fast auf die Nerven, aber es lohnt sich einfach jeden Tag aufs Neue, früh aus dem Bett aufzustehen und den neuen Tag bei strahlend blauem Himmel zu begrüßen. Auch heute ist das nicht anders. Um 7.15 Uhr klingelt der Wecker, um 7.30 Uhr stehe ich bereits am Seeufer und warte darauf, dass die Sonne hinter dem kleinen Hügel hervorlugt, der zwischen dem Lake Tekapo und dem Lake MacGregor liegt. Das tut sie dann auch kurze Zeit später und taucht die Umgebung einmal mehr in ein phänomenales Herbstlicht.

Sonnenaufgang am Lake MacGregor

Auch die zahlreichen Enten und Schwäne auf dem See sind hörbar begeistert von der Morgenstimmung und schnattern sich gegenseitig zu. Schon bald bin ich nicht mehr alleine, denn der bis auf den letzten Platz voll besetzte Campingplatz erwacht nach und nach und genießt die noch frische Luft nach der sternenklaren Nacht. Überall werden die Campingstühle aufgebaut, die ersten Rühr- und Spiegeleier brutzeln in den Pfannen, manche verlassen das Areal bereits in Richtung Tekapo, andere stehen einfach nur stumm am Seeufer und lassen die Atmosphäre auf sich wirken. Es ist eine herrliche Szenerie, die sich mir bietet. Am Campingplatz vor dem Lake MacGregor gibt es keinen Handyempfang, keinen Strom, kein fließendes Wasser. Naturerlebnis auf der höchsten Stufe.

Sonnenaufgang am Lake MacGregor

Sonnenaufgang am Lake MacGregor

Doch einen Nachteil hat die ganze Sache. Nachdem meine letzte Dusche nun auch schon wieder zwei Tage her ist, müsste ich doch mal wieder ein wenig Wasser sehen. Dabei würde ich so gerne einfach noch einen Tag bleiben statt in den Holiday Park am Lake Tekapo zu fahren, wo ich eine Stellplatzgebühr loswerde, nur um meinen Camper über Nacht abzustellen und für alles andere extra zahlen muss.

Aber ein Test ergibt, dass der See einfach zu kalt zum Schwimmen ist. Die Wassertemperatur in Tekapo belief sich gestern auf 8° C, der Lake MacGregor wird nicht viel wärmer sein. Auf dem Weg zur Toilette fällt mir aber zufällig ein zweites kleines Gebäude auf, das mein Interesse weckt. Ein Blick hinter die Kulissen offenbart, dass hier tatsächlich Duschvorrichtungen vorhanden sind, nur eben kein Wasser. Dafür gibt es eine Aufhängung für eine portable Solardusche. Wenn man denn eine solche hat. Habe ich aber nicht. Allerdings kommt mir nach kurzer Überlegung die Idee, dass ich mir die ja eigentlich problemlos selber basteln kann.

Die improvisierte Dusche aus der PET-Flasche

Leere Wasserflaschen kann ich noch einige auftreiben, obwohl ich gestern den größten Teil davon entsorgt habe, aber vier Flaschen à 1,5 Liter sollten für eine halbwegs anständige Dusche eigentlich ausreichen. So befülle ich die Flaschen kurze Zeit später mit Wasser aus dem kalten See und stelle sie auf die Vordersitze meines Autos in die Sonne. Dort wird das Wasser bis heute Nachmittag schon halbwegs warm werden! Damit kann ich mir die ganze sinnlose Übernachtung in dem Holiday Park nämlich sparen und zahle hier nochmal fünf Dollar für die nächste Nacht, habe eine Dusche und kann den Rest des Tages ganz gemütlich angehen.

Zunächst spüle ich das Geschirr vom Vorabend, bei welcher Gelegenheit mir auffällt, dass der Rest der kleinen Küche eine Reinigung auch mal wieder nötig hätte. So säubere ich nach und nach den ganzen Camper, in dem sich seit der letzten Putzaktion einiges an Staub und Dreck angesammelt hat. Über Mittag genieße ich dann einen schönen grünen Salat mit dem leckeren Brot aus dem Dorfladen, ehe ich zu einer kurzen Wanderung zum Lake Alexandrina aufbreche.

Wanderung zum Lake Alexandrina

Der langgezogene See, den ich gestern bereits aus der Luft in voller Pracht sehen konnte, liegt nur einen Steinwurf vom Lake MacGregor entfernt, sodass ich ihn in weniger als zehn Minuten erreiche. Das Seeufer kommt exakt wie beim kleineren Bruder daher. Herbstlich bunte Laubbäume, zahlreiche Enten und ein dunkelblau schimmernder See. Mangels wirklich guter Fotoperspektiven belasse ich es jedoch bei einigen Aufnahmen der Tiere, ehe ich den Rückweg zum Auto antrete.

Am Lake Alexandrina

Herbstfarben am Lake Alexandrina

Holzsteg am Lake Alexandrina

Außer mir verbringt von den zahlreichen anderen Campern niemand eine zweite Nacht in Folge hier, weswegen der Platz inzwischen völlig leergefegt ist. Lediglich ein paar Tagesgäste haben sich für ein Picknick am See eingefunden. So kann ich ungestört und unauffällig meine ausgefallene Idee in der Dusche umsetzen. Die vier Wasserflaschen sind inzwischen tatsächlich halbwegs warm und schnell in die Trockendusche transportiert. Und es funktioniert trotz aller anfänglichen Bedenken einwandfrei. Eine komplette Dusche mit sechs Litern solargeheiztem Wasser. Also noch umweltfreundlicher geht es nicht! :-D

Dolce Vita auf neuseeländische Art

Am Nachmittag finden sich nach und nach wieder neue Campinggäste für die nächste Nacht ein, allerdings ist es interessanterweise bei weitem nicht so voll wie gestern um die gleiche Zeit – wo die wohl alle hin sind? Mir kann es aber relativ egal sein. Und so kann ich ganz entspannt den immer noch wunderschönen Ausblick auf den See bestaunen. Am Ufer spielt jemand Gitarre, anderswo dösen die Leute im Gras. Dolce Vita auf neuseeländische Art!

Wanderschuhe vor dem Lake MacGregor

Und dennoch etwas Wehmut …

Während ich so meine Gedanken schweifen lasse, kommt etwas Wehmut auf, als mir bewusst wird, dass ich genau heute in einer Woche bereits im Flugzeug von Christchurch nach Melbourne sitzen werde und Neuseeland den Rücken kehre. Auch wenn nach fast sieben Wochen Reise durch dieses wunderbare Land ein guter Zeitpunkt ist, wieder langsam aber sicher an die Rückkehr in Richtung Heimat zu denken, der Abschied fällt mir jetzt schon schwer.

Die Nordinsel konnte meine Erwartungen nicht ganz erfüllen, aber die Südinsel ist wohl ohne Zweifel einer der schönsten Flecken auf dem Globus, der mir speziell aufgrund meines unfassbaren Wetterglücks wohl noch lange in Erinnerung bleiben wird. Nichtsdestotrotz freue ich mich natürlich auch auf meine Zeit in Australien. Noch sind ja nicht einmal zwei Drittel meiner gesamten Reise vorbei. Und doch stellt sich irgendwie schon ein Abschiedsgefühl ein. Aber die letzten Tage und meine beiden letzten Stationen im Land der Kiwis, der Arthur’s Pass und Christchurch, werde ich versuchen, nochmals genauso in vollen Zügen zu genießen wie die vergangenen sechs Wochen.

Herbstfarben am Lake MacGregor

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