Luftseilbahn Erlenbach – Stockhorn im Berner Oberland

Welcher Gipfel bietet die schönste Aussicht auf die Berner Alpen? Diese Frage ist natürlich nicht eindeutig zu beantworten. Aber das 2190 Meter hohe Stockhorn ist ganz sicher ein heisser Kandidat für diese Auszeichnung. Als einer der ersten hohen Alpengipfel im Berner Oberland bietet der Berg ein einmaliges Panorama, das nicht nur die bekannten Gipfel wie Eiger, Mönch und Jungfrau umfasst, sondern auch einen fantastischen Weitblick von den französischen Alpen über den Jura bis in die Vogesen.

Stockhornbahn in Erlenbach mit Blick auf Berner Alpen

Luftseilbahn Chrindi - Stockhorn in Erlenbach

Panorama vom Stockhorn-Gipfel

Die schönste Aussicht auf die Berner Alpen

Und das Schöne an der ganzen Sache ist, dass man sich die Aussicht nicht mühsam erarbeiten muss. Seit dem Jahr 1969 ist das Stockhorn in zwei Sektionen von einer Luftseilbahn erschlossen. Die Talstation der unteren Sektion befindet sich am westlichen Dorfrand von Erlenbach, einem der ersten Orte im unteren Teil des Simmentals. Gleich neben der Kantonsstrasse liegt die Station etwas oberhalb, der zugehörige Parkplatz nur wenige Meter davon entfernt. Die Seilbahn trägt unübersehbar die Handschrift des traditionsreichen Berner Seilbahnherstellers Von Roll. Die Bauweise erinnert stark an die zahlreichen anderen Pendelbahnen, die Von Roll in den 60er Jahren erstellen kann, beispielsweise in Zermatt oder am Schilthorn in Mürren. Die Anlage in Erlenbach ist eine der letzten aus dieser Serie, bevor der Hersteller zu Beginn der 70er Jahre auf eine optisch deutlich davon unterscheidbare Konstruktion umschwenkt.

Insbesondere die Stützen sind ein Charakteristikum dieser Doppeltragseil-Pendelbahn. Und das auch, weil die erste Sektion gleich sieben an der Zahl besitzt. Die ungewöhnlich hohe Stützenzahl resultiert einerseits aus dem in weiten Teilen eher flachen Verlauf, dient aber auch der Einrichtung von zwei Zwischenausstiegen im mittleren Teil der Strecke. An den Stützen vier und sieben besteht jeweils die Möglichkeit zum Ein- und Ausstieg in die Kabinen. Die flache Trassierung täuscht jedoch ein wenig, denn insgesamt überwindet die Anlage auf einer Länge von 2,8 Kilometern über 900 Höhenmeter.  Sieben Minuten ist sie dabei heute bei einer maximalen Geschwindigkeit von 9 m/s unterwegs.

Seilbahn Erlenbach - Chrindi

Seilbahn in Erlenbach im Simmental

Zwei Sektionen Seilbahn aufs Stockhorn

Auch die zweite Sektion von der 1650 Meter hoch gelegenen Station Chrindi auf das Stockhorn ist eine Konstruktion des Herstellers Von Roll. Auf den ersten Blick ist das keineswegs selbstverständlich, denn sowohl optisch als auch technisch haben die beiden Teilstrecken trotz ihrer Herkunft wenig gemeinsam. Die zweite Sektion ist deutlich kleiner und bietet mit ihren beiden für 30 Personen konzipierten Kabinen auch deutlich weniger Platz. Weil sie aber mit 1,2 Kilometern schräger Länge nicht einmal halb so lang ist wie die erste Sektion, erreicht sie mit 300 Personen dennoch nahezu die gleiche stündliche Förderleistung wie die erste Teilstrecke. Fünf Minuten nimmt eine Fahrt in Anspruch, bei einer maximalen Geschwindigkeit von 6 m/s.

Technisch grösster Unterschied ist zweifelsohne, dass die obere Pendelbahn nur ein Tragseil pro Fahrspur besitzt. Sie entspricht damit der typischen Von-Roll-Bauweise für kleinere Anlagen, die der Berner Hersteller in ähnlicher Form beispielsweise auch am Cassonsgrat in Flims, nach Attelas in Verbier oder zum Gemmipass in Leukerbad einsetzte. Die Seilbahn auf das Stockhorn ist jedoch die letzte Anlage von Von Roll in der Schweiz mit solch kleinen Kabinen.

Seilbahn über den Wolken im Berner Oberland

Eiger, Mönch und Jungfrau frisch verschneit

Luftseilbahn Chrindi - Stockhorn in Erlenbach

Nostalgie-Seilbahn mit technischen Besonderheiten

Auch in Bezug auf den Streckenverlauf unterscheidet sich die zweite von der ersten Sektion deutlich. Über ein langes Spannfeld gleiten die Kabinen steil hinauf zur einzigen Stütze. Diese befindet sich bereits in der oberen Streckenhälfte und lässt an diesem Tag auch den zähen Hochnebel hinter sich. Die Stütze ist nicht nur ein schönes Fotomotiv vor der beeindruckenden Kulisse der hohen Gipfel der Berner Alpen, sondern auch aus technischer Sicht interessant.

Um für die Stationen möglichst wenig Platz zu beanspruchen, verkleinert Von Roll im Tal und am Berg die Seilspur, also den Abstand zwischen den beiden Fahrspuren. Perron und Stationsmasse können auf diese Weise deutlich kompakter ausfallen. Um im Bereich der Kabinenkreuzung aber einen sicheren Abstand zu gewährleisten, entfernen sich die Fahrspuren zur Streckenmitte hin voneinander. An der Stütze wird daher der grösste Abstand zwischen den beiden Spuren erreicht. Die Seile werden hier jeweils leicht nach innen abgelenkt. Ein Prinzip, das auch heute noch bei zahlreichen Pendelbahnen zum Einsatz kommt.

Seilbahnkabine über dem Nebelmeer

Stockhornbahn in Erlenbach mit Blick auf Berner Alpen

Stockhorn mit Seilbahn-Bergstation

Das ehemalige Skigebiet am Stockhorn

497 Höhenmeter überwinden die beiden Kabinen bei einer Fahrt und erreichen so eine Höhe von 2139 Metern über dem Meer. Die Bergstation liegt damit etwas unterhalb des eigentlichen Stockhorn-Gipfels, der aber nach einem kurzen Fussmarsch erreichbar ist. Durch einen rollstuhlgängigen Tunnel ist es seit einigen Jahren ebenfalls möglich, einen Blick auf die andere Seite des Berggrats zu werfen.

Dass die zweite Sektion so viel kleiner ausfällt als die erste, ist übrigens noch einem weiteren Umstand geschuldet. Bis vor rund 20 Jahren ist die untere Anlage im Winter auch Zubringer zu einem kleinen, aber anspruchsvollen Skigebiet. Ein gemeinsam mit der ersten Teilstrecke eröffneter Schlepplift von Bühler ermöglicht seinerzeit den Zugang zum Lasenberg. Seine Talstation liegt etwas unterhalb der Station Chrindi am Ufer des Hinterstockensees. Besonderheit des 400-Höhenmeter-Schlepplifts ist Zeit seines Lebens seine Zwirbelkurve in der Streckenmitte. Ein weiterer kurzer Kurvenlift kommt 1997 als Rückbringer und Übungsanlage hinzu, doch bereits wenige Jahre nach der Jahrtausendwende gibt man den unrentablen Skibetrieb an diesem Hang auf.

Ehemaliger Skihang am Lasenberg

Nostalgischer Charme im Simmental

Von den Schleppliften ist mittlerweile auch an Tagen ohne Hochnebel kaum noch etwas zu sehen. Der Betrieb der beiden Luftseilbahnen floriert dagegen auch heute noch. Das ist auch aus seilbahnhistorischer Sicht sehr erfreulich, denn die beiden Anlagen aus den 60er Jahren zählen mittlerweile zu den ältesten Luftseilbahnen der Schweiz. Auch wenn sie selbstverständlich immer wieder saniert und auf den aktuellen Stand gebracht werden, so kommt insbesondere die zweite Sektion noch immer mit einem nostalgischen Charme daher.

Die erste Sektion erhält 2018 nach einem halben Jahrhundert tadellosem Betrieb neue Kabinen. Diese fassen 52 Personen und damit etwas weniger als die älteren, für 60 Personen konzipierten Fahrbetriebsmittel. Weil bei dem Umbau aber auch die Fahrgeschwindigkeit erhöht wird, erreicht die Anlage auch heute noch eine stündliche Förderleistung von rund 360 Personen pro Richtung. Auch wenn die Kabinen nicht mehr so nostalgisch daherkommen wie auf der zweiten Sektion, so besitzt auch die untere Teilstrecke insbesondere mit den Stützen nach wie vor einige klassische Von-Roll-Elemente. Eine Fahrt aufs Stockhorn ist also nicht nur wegen der bezaubernden Aussicht für Seilbahnfans ein echtes Muss!

Seilbahn Erlenbach - Chrindi

Nebelmeer über dem Hinterstockensee im Simmental

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