Ende der 1960er Jahre ist die Erschliessung der Alpen durch neue Seilbahnen in vollem Gange. An allen denkbaren Orten werden Gipfel für aussichtshungrige Wanderer und Wintersportler erschlossen. Die meisten Seilbahnen aus jener Zeit sind heute längst moderneren Nachfolgern gewichen. Doch an manchen Orten trifft man die originalen Exemplare noch immer an. Auf einen solchen Fall trifft man einige Kilometer südlich der Ortschaft Unteriberg im Schweizer Kanton Schwyz. Die Luftseilbahn Weglosen-Seebli transportiert auch nach mehr als einem halben Jahrhundert Betrieb die Gäste auf die Sonnenterrasse Hoch-Ybrig. Warum diese Seilbahn weitaus spezieller ist als auf den ersten Blick zu vermuten wäre und was das Skigebiet mit einer gescheiterten Olympiabewerbung zu tun hat, erzählt dieser Beitrag.
Die Entstehung des Skigebiets Hoch-Ybrig
Skigebiete finden sich in den 1960er Jahren im Kanton Schwyz und in der restlichen Zentralschweiz bereits in grosser Zahl. Doch bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich um kleine Betriebe mit einzelnen Schleppliften, die für Gäste aus der erweiterten Umgebung weitgehend uninteressant sind. So entsteht das Bedürfnis für die Errichtung eines Skigebiets, das das Potenzial der Berge nördlich des Vierwaldstättersees optimal nutzt. Die Region südlich von Oberiberg scheint dafür prädestiniert. Eine schneesichere Lage mit attraktiven Nordhängen, dazu eine schnelle Erreichbarkeit vom Grossraum Zürich. So nehmen die Planungen für eines der ersten Retortenskigebiete der Schweiz schnell Fahrt auf. Ein erster Schlepplift entsteht bereits 1968. Nahezu von Beginn an ebenfalls ein fester Bestandteil: die Luftseilbahn Weglosen-Seebli. In einem bis dato weitgehend unerschlossenen Talkessel entsteht die Talstation für den Zubringer in das neue Skigebiet. Der weitläufige Talboden in gut 1000 Metern über dem Meer bietet ausreichend Platz für Parkmöglichkeiten und ist über eine neue Zufahrtsstrasse schnell erreicht.
Als einzige Zubringeranlage in ein grösseres Skigebiet benötigt die neue Seilbahn eine entsprechend hohe Förderleistung. Die Pendelbahn scheint zu diesem Zweck jedoch eigentlich nicht das geeignete System zu sein. Mit nur zwei Kabinen ist sie dem Umlaufprinzip in Sachen Kapazität deutlich unterlegen. Das Relief zwingt die Planer aber seinerzeit, dennoch auf das Pendelprinzip zu setzen. Doch eine geschickte Trassierung sorgt dafür, dass die Strecke nur gut 1,7 Kilometer lang ist. Eine einzige Zwischenstütze unterhalb der Streckenmitte sorgt zudem dafür, dass nur unwesentliche Eingriffe in die Landschaft vorgenommen werden müssen. Aussschlaggebend für die Bereitstellung der gewünschten Förderleistung sind aber letztlich die beiden Kabinen. Mit Platz für je 125 Personen zählen sie damals zu den grössten der Schweiz. Sie egalisieren den Rekord, der kurz zuvor in Laax aufgestellt wird. 1300 Personen können sie gemeinsam stündlich je Richtung befördern.
Ein neuer Name im Seilbahnbau
Die Wahl des Konstrukteurs fällt jedoch nicht wie in Laax auf den seinerzeit führenden Hersteller Habegger, sondern auf die aufstrebende Firma Garaventa. Der Betrieb ist erst wenige Jahre zuvor in den Bau grosser Luftseilbahnen eingestiegen, kann sich aber schnell einen Namen machen. Nach dem Erstlingswerk mit 40-plätzigen Kabinen am Kronberg im Jahr 1964 folgt vier Jahre später bereits eine doppelt so grosse Anlage an der Rigi. Mit der Zubringer-Luftseilbahn ins Skigebiet Hoch-Ybrig zählt Garaventa endgültig zu den Vorreitern im Seilbahnbau. Auch auf internationaler Ebene bedeutet die Seilbahn den Durchbruch. Eine Schwesteranlage gleicher Grösse entsteht zur selben Zeit in den Vereinigten Staaten. Auch sie ist bis heute in Betrieb.
Gemeinsam mit zwei Sesselbahnen und drei Schleppliften – ebenfalls aus dem Hause Garaventa – erfreut sich die Pendelbahn schnell grosser Beliebtheit. Als schneesicheres Skigebiet scheint das Hoch-Ybrig auch für die Austragung von Wettkämpfen bestens geeignet. So liebäugelt die Stadt Zürich damit, das Skigebiet als Austragungsort für die alpinen und nordischen Disziplinen im Rahmen ihrer angedachten Olympiakandidatur 1976 heranzuziehen. Die olympischen Winterspiele nach 1928 und 1948 wieder in die Schweiz zu holen, stösst in der Bevölkerung aber auf Gegenwind. Für Zürich endet das Projekt in einem Debakel, denn die Stimmbevölkerung lehnt die Kandidatur mit grosser Mehrheit ab.
Ein Seilbahn-Original mit Ablaufdatum
Das Hoch-Ybrig bleibt dagegen ein beliebtes Wintersport- und Naherholungsziel. Um Abhilfe für die stets gut ausgelastete Pendelbahn zu schaffen, entsteht Anfang der 80er Jahre eine zweite Zubringerachse von Oberiberg in das Skigebiet. Die restlichen Anlagen aus der Anfangszeit weichen ab 1993 sukzessive kapazitätsstärkeren Nachfolgern. Einzig die Zubringer-Pendelbahn bleibt unangetastet. Und so ist sie auch heute noch optisch im Originalzustand im Einsatz, sogar nach wie vor mit der ersten Kabinengeneration.
Eine Seilbahn mit Seltenheitswert, doch auch hier wird ein Ersatz nicht mehr lange auf sich warten lassen. Ein Nachfolger ist bereits projektiert. Und wie vor gut 50 Jahren wird auch dieser wieder ein Meilenstein für die Seilbahnwelt, aber auch für den Hersteller Garaventa sein. Erstmalig kommt an dieser Stelle das neu entwickelte Tri-Line-System zum Einsatz. Eine Kreuzung aus klassischer Kleinkabinenumlaufbahn und Pendelbahn mit Trag- und Zugseil. Die Weiterentwicklung des populären 3S-Systems erlaubt es, mit nur einer grösseren Stützenkonstruktion und kompakten Stationsabmessungen die geringen Landschaftseingriffe der derzeitigen Anlage zu replizieren. Und das, ohne auf den Komfort und die hohe Förderleistung einer Umlaufbahn verzichten zu müssen.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.