Zwar schlafe ich besser als in dem unbequemen Bett in Amsterdam, die Nacht endet allerdings jäh mit dem Muezzin-Ruf aus einer nahegelegenen Moschee. Früher als nötig begebe ich mich daher in den Frühstücksraum des Hotels, in dem ich der einzige Gast bin. Dafür sind gleich drei Kellner anwesend, die sich ohne zu zögern auf mich stürzen. Aus allen erdenklichen Richtungen erhalte ich innert weniger Sekunden eine Obstauswahl, einen Saft und zwei Scheiben Toastbrot. Einer empfiehlt mir zudem ein Omelett, das ich gerne noch dazu nehme. Als er es mir serviert, kostet es plötzlich 2$ extra. Offiziell? Zumindest inoffziell. Cleverer Schachzug, Kollege!
Erste Gewöhnung an das afrikanische Zeitgefühl
Um 9 Uhr stehe ich abfahrbereit in dem Innenhof zwischen Rezeption und Restaurant des Hotels. Kein Fahrer in Sicht. Stattdessen kommt 15 Minuten später ein Verkäufer vorbei, der mir unbedingt Gemälde und einen Safarihut anbieten will. Natürlich zum Special Price wie alles andere hier. Oder Mzungu Price, wie es die Einheimischen nennen. Um halb zehn ist immer noch niemand in Sicht. Der Herr an der Rezeption meint, er würde mal im Büro anrufen. Dort geht aber keiner ran. Meine Mitstreiter, die in einem anderen Hotel sind, kann ich auch nicht erreichen, weil ich nach wie vor keine Sim-Karte habe und wohl auch keine Möglichkeit mehr haben werde, vor der Safari eine zu kaufen.
Immerhin habe ich aber Teresas tansanische Nummer, sodass ich sie über das Handy des Rezeptionisten erreichen kann. Dann erst einmal aufatmen. Bei den anderen ist auch noch niemand vorbeigekommen. Alles entspannt. Pole, Pole. Das heißt soviel wie gemach, gemach und ist hier das Lebensmotto, das vom Säugling bis zum Greis jedermann verinnerlicht hat. Ich muss mich erst noch dran gewöhnen.
Um 10 Uhr trifft dann tatsächlich ein Safari-Truck vor dem Hotel ein und fährt mich zum Büro des Unternehmens. Dort laufen bereits die Vorbereitungen zum Verladen des Campinggepäcks. Mehrere Leute wuseln um die diversen Geländewagen herum, andere liegen in der Sonne, wieder andere reparieren einen Anhänger. Meine Tasche soll ich im Auto lassen, was mir bei dem allgegenwärtigen Chaos eigentlich nicht so recht ist. Aber irgendwie wird das wohl schon alles funktionieren.
Geordnetes Chaos als beste Safari-Vorbereitung
Im Büro treffe ich auf Teresa, die hier mit Christopher und Christian darauf wartet, dass es irgendwann heute noch losgeht. Wie ich erfahre, starten die beiden zusammen mit Franzi gemeinsam mit unserer Vierergruppe und begleiten uns während der ersten drei Tage. Marie und Antonia treffen kurz darauf auch in dem Büro ein, sodass wir komplett sind. Wirkliche Fortschritte hinsichtlich des Aufbruchs sind zunächst nicht erkennbar. Der betont lässig kaugummikauende Manager auf der anderen Seite des Schreibtischs erzählt uns allerdings gebetsmühlenartig, dass alles nur noch eine Sache von Minuten sei.
Schlussendlich ist es 10.45 Uhr, als wir samt Gepäck in Richtung des Tarangire National Park aufbrechen. Während unserer Abfahrt erfahren wir, dass eine zweite Gruppe von vier Personen die Safari mit uns gemeinsam bestreiten wird. Sandra, Michael, Nina und Christian fahren mit ihrem Guide Fadhili und unserem gemeinsamen Koch George in einem zweiten Auto, das auch einen Anhänger zieht, in dem sich Zelte, Feldbetten und andere Campingutensilien befinden. Eigentlich soll der Hänger an unser Auto montiert werden, dort passt er aber nicht ohne rohe Gewalt an die Kupplung, sodass kurzerhand umdisponiert wird. Während wir das Gepäck verladen bietet mir irgendwer eine Karte für den Arusha Nationalpark an. Da fahren wir doch gar nicht hin? Ah so, das ist nur ein Straßenverkäufer, der mir was andrehen will. So ganz bin ich scheinbar doch noch nicht in Afrika angekommen.
Raus aus Arusha, rein ins Abenteuer
In der Folge geht es zunächst einmal in einen Supermarkt, damit wir uns mit Wasser für die nächsten Tage eindecken können. Warme Getränke und Speisen sind in unserer Safari inkludiert. Der Supermarkt ist wiederum ein Erlebnis für sich. Im Vergleich zum restlichen, wesentlich ländlicheren Bereich rund um Arusha wirkt der Markt mitten in der Millionenstadt wie aus einer anderen Welt. Im Vergleich zu einem europäischen Pendant erwartet mich dagegen der nächste Kulturschock. Die Regale sind größtenteils leer, die Gänge ebenso. Nur ein Bruchteil der Einwohner wird auf die Idee kommen, in einem solchen Geschäft einzukaufen. Denn die Mehrwertsteuer, deren ordnungsgemäße Abführung hier am Ausgang von der Polizei akribisch kontrolliert wird, interessiert beim Händler von nebenan niemanden und kann daher leicht gespart werden.
Lange dauert es nicht, bis wir Arusha in Richtung Westen verlassen. Unterwegs kommen wir an unzähligen Straßenverkäufern und Läden vorbei. Die Straßen sind allesamt belebt. Mit der Zeit nimmt diese Lebhaftigkeit aber immer mehr ab. Nach einer Stunde Fahrt tauchen wir erneut in eine andere Welt ein. Raus aus der Großstadt in das ländliche Tansania. Immer wieder treffen wir auf Stämme der Massai, die sich rechts und links der Straße um ihr Vieh kümmern.
Aufbruch in den Tarangire National Park
Lucas, unser Fahrer und Guide, fällt während der Fahrt vor allem dadurch auf, dass er so gut wie nichts über die Dinge erzählt, denen wir begegnen. Teresa gibt ihr Bestes, ihn vom Beifahrersitz zu unterhalten, doch das Gespräch ist eher zäh. Vielleicht taut Lucas ja demnächst noch etwas auf. Eine erste Diskussion mit ihm ergibt sich in der Folge bezüglich des Mittagessens. Das wollen wir ob der fortgeschrittenen Zeit eigentlich gerne während der Fahrt essen. Der Tarangire National Park wäre durchaus lohnenswert für mehrere Tage, uns bleiben nach der ganzen Verzögerung aber nur noch vier Stunden. Und von denen wollen wir nicht noch eine mit Essen verbringen.
Ohne wirkliches Ergebnis biegt Lucas plötzlich unvermittelt nach links durch ein Tor ab. Was ist denn nun wieder los? Nach und nach ergibt sich des Rätsels Lösung. Bei dem Grundstück handelt es sich um unseren Campingplatz für die kommende Nacht und wir warten hier auf unsere Lunchboxen. Die sind nämlich im anderen Auto bei Fadhili und Co. mit Hänger. Und das Auto hat ein Problem mit der Batterie, wie wir bald erfahren. So warten wir also erneut eine halbe Stunde auf dem nett gelegenen Tarangire Kikongoni Campsite, ehe die anderen eintreffen.
Überwältigende Tierwelt im Tarangire National Park
Zum Glück ist es bis zum Eingangstor des Tarangire National Park von hier aus nicht mehr weit. Die Klärung der Formalien dauert wieder eine Weile, aber mit Teresas Verhandlungsgeschick sind die zuständigen Ranger schnell überzeugt. Zahlreiche andere Wagen treffen wir am Eingangstor an. Endlich können auch wir unser Dach nach oben schieben, sodass wir die Weiterfahrt mit Panoramablick im Stehen genießen können. Nicht lange dauert es, bis wir mit einem kleinen See auf unser erstes Highlight treffen. Unzählige Tiere, angefangen bei Zebras über Antilopen und Büffel bis hin zu jeder Menge Vögel, versammeln sich um den Tümpel. Das einzige echte Gewässer weit und breit lockt die Tiere in der vorherrschenden Trockenzeit an. Für uns sind schon diese ersten Eindrücke überwältigend. Nervig sind einzig die aggressiven Tsetsefliegen, die uns auch noch auf der weiteren Fahrt plagen.
Lucas führt uns immer wieder zu interessanten Plätzen, an denen wir immer wieder neue Tierarten bestaunen können. Besonders angetan sind wir von den zwar meist traurig dreinblickenden, aber faszinierenden Elefanten. Geniale Fotomotive ergeben sich am späteren Nachmittag, als die tiefstehende Sonne den Tarangire National Park in ein warmes Licht taucht. Etwas nach der offiziellen Öffnungszeit von 18 Uhr verlassen wir den Park wieder in Richtung Campingplatz. Zu unserem Erstaunen hat George unsere luxuriösen Zelte bereits aufgebaut, sodass wir gleich zum Essen schreiten können. In einer im Massai-Stil gehaltenen kleinen Aufenthaltshütte genießen wir die tansanische Nationalspeise Ugali und lassen den Abend gemütlich ausklingen. Dank Hildes ausführlicher, seitenlanger Beschreibung des morgigen Programms haben wir den nächsten Tag vom Linksabbiegen in Makuyuni bis zu den Vögelarten im Lake Manyara National Park schon bildlich vor Augen.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.