Du kommst aus dem Saarland? Kannst du dann überhaupt richtig deutsch sprechen oder nur französisch? Gibt’s da irgendeine größere Stadt in der Nähe? Ja, als Saarländer muss man sich so manches anhören. Dabei hat unser Bundesland einiges zu bieten, auf das man durchaus stolz sein kann. Die Saarschleife, eine wunderbare Natur, hervorragendes Essen und nette Leute (die sogar deutsch sprechen).
Und einen der ehemals bedeutendsten deutschen Seilbahnhersteller. Ja, richtig gelesen. Die Firma Heckel aus Rohrbach exportierte ab Anfang des 20. Jahrhunderts Seilbahnen in die ganze Welt. Damals ist das Unternehmen bereits seit mehr als einem Jahrhundert im Bau von Drahtseilen für den Bergbau im Saarland tätig. Genau wie die beiden anderen großen deutschen Seilbahnhersteller jener Zeit, die Firmen Pohlig aus Köln und Bleichert aus Leipzig, versucht Heckel ab den 1930er Jahren Personenseilbahnen als neues Absatzprodukt zu etablieren. Den Auftakt macht die Schauinslandbahn bei Freiburg im Breisgau als weltweit erste Umlaufbahn mit Großkabinen für den Personentransport. Gleich mehrere solche Anlagen entstehen kurze Zeit darauf auch in der venezolanischen Hauptstadt Caracas.
Heckel und die Seilbahnen von der Saar
In technischer Hinsicht sind die Bahnen ihrer Zeit weit voraus. Der große Durchbruch soll Heckel mit den teuren Großkabinenumlaufbahnen aber nicht gelingen. Zu gering ist der Bedarf an solchen Anlagen in der Zwischenkriegszeit. Der folgende Zweite Weltkrieg beendet vorerst ohnehin alle Ambitionen, die Seilbahnen von der Saar weiter verbreiten zu können. Nach Kriegsende wird das Saarland wirtschaftlich an Frankreich angegliedert. Diese Tatsache ist für die Firma Heckel von entscheidender Bedeutung. Als Spezialist im Bau von großen Anlagen erschließen sich auf diese Weise neue Absatzmärkte. Insbesondere der Umstand, dass Frankreich zu jener Zeit keinen eigenen Hersteller besitzt, der in der Lage ist, Seilbahnen in hochalpinem Geläde zu errichten, bedeutet die Wiedergeburt der Seilbahnen von der Saar.
Das Vorzeigewerk schlechthin kann Heckel 1955 in Chamonix eröffnen. Bis heute ist die dortige Luftseilbahn zur Aiguille du Midi eines der beeindruckendsten Bauwerke im Hochgebirge überhaupt. In zwei Sektionen überwindet eine Pendelbahn mehr als 2000 Höhenmeter und stößt bis in über 3800 Meter Seehöhe vor. Ein Wert, der in den Alpen erst 1979 mit der Eröffnung der Kleinmatterhornbahn in Zermatt übertroffen wird.
Die Luftseilbahn auf den Mont Faron
Eine vielleicht weit unbedeutendere Anlage entsteht drei Jahre später in der südfranzösischen Hafenstadt Toulon. 70 Kilometer südöstlich von Marseille gelegen ist sie die Hauptstadt des Départements Var und vor allem als Heimathafen der französischen Marine bekannt. Der Militärhafen prägt das Stadtbild seit seiner Einrichtung im 15. Jahrhundert.
Touristische Sehenswürdigkeiten rücken im Vergleich deutlich in den Hintergrund. Wer sich dennoch nach Toulon verirrt, dem wird aber unweigerlich die Seilbahn der Firma Heckel ins Auge stechen, die mit dem Mont Faron den 542 Meter hoch gelegenen Hausberg der Stadt erschließt. Seit 1958 ermöglicht sie den Zugang zu einem beeindruckenden Aussichtspunkt, der bis weit über Toulon hinausreicht. Aber auch auf die Stadt selbst und ihren prominenten Hafen genießt man von hier oben einen sehenswerten Blick. Nicht minder interessant kommt der zoologische Garten daher, den man nach einem kurzen Fußmarsch von der Bergstation der Seilbahn erreicht.
Die Bahn trägt unübersehbar die Handschrift der Firma Heckel. Ein Tragseil und zwei Zugseile weist die Bahn je Fahrspur auf, die beiden roten Kabinen fassen je 18 Personen. Die Strecke der Bahn mit ihren fünf Zwischenstützen ist durchaus sehenswert. Anfänglich geht es zwischen einigen Villen nach oben, im oberen Abschnitt überspannt die Bahn einen Taleinschnitt mit einem langen Spannfeld. Allein die steile Ausfahrt aus der Talstation ist einen Blick wert. Diese befindet sich im Boulevard Amiral Vence und ist bereits ab der Autobahn A50 gut ausgeschildert. Allerdings sind die Parkplätze an der Talstation aufgrund der Hanglage spärlich gesäht und sehr eng. Daher bietet es sich gegebenenfalls an, auf eine Alternative auszuweichen.
Mit dem Auto auf den Mont Faron
Neben der Seilbahn gibt es nämlich auch die Möglichkeit, den Mont Faron motorisiert zu erreichen. Eine Straße führt in Form einer Schleife über den Gebirgszug. Das Befahren ist allerdings nur im Uhrzeigersinn möglich. Von der Talstation der Seilbahn führt der Weg zunächst über die Corniche Emile Fabre, bevor die Straße am oberen Stadtende in die Route du Faron mündet. Weitere etwa fünf Kilometer schlängelt sich die Straße nun bis zum Gipfel hinauf. Die Rückfahrt erfolgt über die Ostflanke des Mont Faron und endet direkt unterhalb der Seilbahn-Talstation.
Nicht nur wegen des unbeschwerteren Panorama-Genusses ist eine Fahrt mit der Seilbahn aber deutlich empfehlenswerter. Die Luftseilbahn zum Mont Faron ist ein lebendiges Zeitdokument der europäischen Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg.
Das Erbe der Seilbahn in Toulon
Nach der Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland verliert der französische Markt an Bedeutung für Heckel. Auch deshalb, weil Frankreich die prestigeträchtigen Alpenerschließungen mittlerweile lieber den landeseigenen Herstellern überlässt. 1962 folgt die Fusion Heckels mit den beiden ehemaligen Konkurrenten Pohlig und Bleichert. Notabene in jenem Jahr, als Heckel ein weiteres Jahrhundertbauwerk fertigstellt: die Eibseeseilbahn auf Deutschlands höchsten Gipfel, die Zugspitze.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.